Geschlecht

Geschlecht und Identität

Geschlecht ist ein Zusammenspiel von körperlichen, sozialen, kulturellen und rechtlichen Faktoren.

männlich
weiblich
inter
endo
CIS
trans

Bei der Geburt eines Kindes wird ihm ein Geschlecht zugewiesen. Aufgrund der äusseren Geschlechtsorgane gilt das Kind als weiblich oder männlich. Sind die Geschlechtsorgane nicht eindeutig, werden die inneren Organe, die Hormone und Gene untersucht.

Wenn eine Zuweisung zu einem der beiden Geschlechter nicht möglich ist, wird von Inter-Geschlechtlichkeit gesprochen. In der Schweiz und in vielen anderen Ländern sieht das Gesetz aber nur «männlich» oder «weiblich» vor.

Diese Art der Geschlechts-Zuweisung verursacht oft unnötige Operationen. Die Uno verurteilt diese Operationen als Folter. Die Uno hat die Schweiz gerügt, weil sie solche Operationen nicht verbietet.

Die Umwelt, die Erziehung und das Selbstbild prägen das Geschlecht auch. Die Zuweisung des Geschlechts bei der Geburt beinflusst oft die Erziehung: Weibliche Babys werden als Mädchen erzogen. Männlich Babys als Knaben. Das bedeutet: Mädchen spielen mit Puppen, Knaben mit Autos. So lernen wir Geschlechter-Rollen. Diese Geschlechter-Rollen beeinflussen unsere Fähigkeiten, Vorlieben und unser Verhalten.

Puppe oder Auto? Spielzeuge für Mädchen und Knaben

Geschlecht ist komplex. Es können fünf Dimensionen von Geschlecht unterschieden werden:

  1. Körper
  2. Identität
  3. Geschlechts-Ausdruck
  4. Sexuelle Orientierung
  5. Geschlechter-Rolle

Wer Bin ich?

Rechtlich sind in der Schweiz nur die zwei Geschlechter «Mann» und «Frau» zugelassen. Doch: Niemand ist nur Mann oder Frau. Geschlecht ist etwas Fliessendes, Veränderliches. Wir alle verfügen über viele Eigenschaften. Diese sind vielleicht widersprüchlich. Ob wir diese Eigenschaften als weiblich oder männlich bezeichnen, ist egal.

Männer, die weiblich wirken, und jungen-haft wirkende Frauen werden auch als andro-gyn bezeichnet. Insbesondere die Kunst der 1970er-Jahre spielt mit Andro-Gynität, Verkleidung und Geschlechter-Rollen. Das Kunstmuseum Luzern widmet dem Phänomen 1974 die Ausstellung Transformer. Aspekte der Travestie.

Walter Pfeiffer fotografiert die Serie Carlo Joh für die Ausstellung Transformer. Die Fotografien zeigen Carlo Joh: Er spielt auf den Bildern mit weiblichen Rollen und Kleidungsstücken.

Carlo Joh und Walter Pfeiffer erkunden das Sowohl-als-auch. Das Spiel mit Schönheit und Doppeldeutigkeit verdichtet sich dabei zu einem zarten, persönlichen Porträt.

LGBTQIA+

LGBTQIA+ bedeutet:

  • Lesbisch
  • Gay (Schwul)
  • Bisexuell
  • Transgender
  • Queer
  • Intersexuell
  • Asexuell

Das Plus-Zeichen bedeutet, dass die Liste weitergehen kann.

LGBTQIA+-Menschen kämpfen gegen Benachteiligungen. Sie werden ausgeschlossen oder angegriffen. LGBTQIA+-Menschen erfahren oft Gewalt, weil sie nicht den Normen entsprechen.

In der Schweiz werden Gewalttaten gegen LGBTQIA+-Menschen nicht eigens erfasst. Politische Vorstösse dafür sind bisher gescheitert. Der Bundesrat glaubt, dass die Zeit noch nicht reif für ein drittes Geschlecht ist (neben männlich und weiblich). Vielleicht braucht es dafür erst ein Bundesratsmitglied, das weder Mann noch Frau ist.

Ueli Maurer sagt bei seinem Rücktritt, dass er sich kein «Es«» als Nachfolger:in wünscht.

Intersex-inclusive Pride Flag, Valentino Vecchietti, 2021

Brave Beauties, 2014—

Brave Beauties bedeutet «mutige Schönheiten». Die Porträt-Serie Brave Beauties von Zanele Muholi zeigt Menschen an Schönheits-Wettbewerben. Es sind trans Frauen und Menschen, die sich weder als Mann oder Frau sehen. Gemäss Muholi nehmen sie an diesen Wettbewerben teil, «um die Geistes-Haltung der Gemeinschaft zu ändern, in der sie leben, obwohl sie in dieser Gemeinschaft Schlimmes erfahren».

Diese Schönheits-Wettbewerbe bieten einen Raum des Widerstands innerhalb der Schwarzen LGBTQIA+-Gemeinschaft in Südafrika. Sie zeigen Schönheit ausserhalb der Norm. Und ausserhalb der weissen Vorherrschaft. Die Serie Brave Beauties erinnert auch an Mode-Shootings. Damit fragt Muholi, ob «im demokratischen Südafrika das Bild einer trans Frau auf dem Titel eines Magazins stehen könnte».

«There’s nothing wrong with loving who you are.»

«Es ist nichts falsch daran, dich so zu lieben, wie du bist.»

Lady Gaga, Born this Way, 2011

Gleichstellung

Das Weltwirtschaftsforum WEF veröffentlicht jedes Jahr einen Bericht zur Ungleichheit zwischen Männern und Frauen in vielen Ländern. Dieser Bericht heisst Gender-Gap-Report. Der Bericht untersucht vier Bereiche:

  1. wirtschaftliche Teilnahme und Teilhabe
  2. politische Teilnahme und Teilhabe
  3. Zugang zu Bildung
  4. Gesundheit und Lebenserwartung

Im internationalen Verglich schneidet Island am besten ab. In Island beträgt der Unterschied zwischen Männern und Frauen nicht einmal 10%.

Die Schweiz hat in den vergangenen Jahren Plätze verloren: 2021 war die Schweiz unter den besten Zehn, zwei Jahre später ist sie auf Platz 21 zurückgefallen. Schlechter waren vor allem die Bereiche Wirtschaft und Bildung. Bei der Bildung beispielsweise erreicht die Schweiz nur Rang 102 von 142 untersuchten Ländern. Gemäss Report wird der Gender-Gap in der Schweiz erst in über 100 Jahren weg sein. Es gibt also noch viel zu tun!

Feminismus und Emanzipation

Der Kampf für die Gleichstellung der Geschlechter dauert schon sehr lange. Frauen demonstrieren bereits seit einigen hundert Jahren für ihre Rechte. Innerhalb des Feminismus gibt es eine Vielzahl von Strömungen. Hinterfragt und kritisiert werden vor allem die in der Gesellschaft verankerten ungleichen Machtstrukturen. Ein Beispiel ist die 2017 entstandene #MeToo-Bewegung. Das Hashtag verbreitet sich im Zuge des Weinstein-Skandals und führt weltweit zu einer öffentlichen Debatte, die sich gegen sexuelle Belästigung und Missbrauch richtet.

Während es zu Beginn der Frauenrechtsbewegung vorrangig um die Rechte von Frauen geht, ist seit den 1990er-Jahren das Verständnis von Feminismus breiter. Frauenrechts-, LGBTQIA+- und Antidiskriminierungsbewegungen gegen Rassimus und Klassismus schliessen sich zusammen. Der Feministische Streik Schweiz beispielsweise verfolgt nebst der Hauptforderung «Gleicher Lohn für gleiche Arbeit» die Bekämpfung von rassistischer, fremdenfeindlicher, queerfeindlicher und behindertenfeindlicher Diskriminierung.

«Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es.»

Simone de Beauvoir, 1949

Wahlrecht für alle!

Ab dem 17. Jahrhundert beginnen die Menschen die absolutistische Herrschaft von Königen und Kirche zu hinterfragen – es ist das Zeitalter der Aufklärung. Die Menschen diskutieren über Philosophie, Recht, Literatur und Kunst, um Ideen einer neuen, gerechteren Gesellschaft zu verhandeln. Mit der 1789 verabschiedeten Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte kommen sie diesem Ziel ein Stück näher. Jedoch sind diese Rechte anfangs ausschliesslich weissen Männern vorbehalten.

Plakat, Otto Baumberger, Wollt Ihr solche Frauen?, 1920, Foto: Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, ZHdK
Plakat, In ganz Europa haben die Frauen das Wahlrecht, nur nicht in der Schweiz, 1950, Foto: Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, ZHdK

wahlrecht

in der Schweiz

Der Kampf um das Frauenstimmrecht in der Schweiz beginnt mit der ersten Bundes-Verfassung von 1848. Sie besagt, dass alle «Schweizer» vor dem Gesetz gleich sind. Lange sind aber nur die Männer stimm-berechtigt. Erst seit gut 50 Jahren dürfen auch die Schweizerinnen stimmen und wählen. Die Schweiz ist damit das letzte Land in Europa, welches das Stimm-Recht für Frauen einführt. Einzelne Kantone brauchen dafür noch länger. 1990 führt das Bundes-Gericht das Frauen-Stimmrecht in Appenzell Innerrhoden ein.

in Südafrika

In Südafrika erhalten 1930 weisse Frauen das Wahl-Recht. Erst nach der Abschaffung der Apartheid 1994 sind alle Bevölkerungsgruppen wahl-berechtigt.